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RED-S: wenn der Körper auf Sparflamme schaltet

RED-S – ein Begriff, mit dem ich erstmals in Andreas Praxis in Berührung kam. Als Läuferin war er mir zwar nicht völlig unbekannt, doch ich hatte mich nie wirklich intensiv damit beschäftigt. Im Oktober 2024 änderte sich das jedoch: Nach einem trainingsintensiven ersten Halbjahr voller sportlicher Highlights erhielt ich die Diagnose eines Ermüdungsbruchs.
Durch Andreas ganzheitlichen Ansatz in der Physiotherapie begann ich, mich eingehender mit dem Thema RED-S auseinanderzusetzen.
Der folgende Beitrag von Andreas beleuchtet, was RED-S ist, wie es entsteht, welche Gefahren damit verbunden sind und wie Physiotherapie sowohl präventiv als auch in der Behandlung helfen kann.                                                                                                  

Leona

Was ist RED-S? Eine Definition

Laut der Internationalen Olympischen Komitees (IOC)-Konsensdefinition von 2023 bezeichnet RED-S ein Syndrom, das sowohl weibliche als auch männliche Sportler betrifft. Es entsteht durch eine niedrige Energieverfügbarkeit (LEA) – das heißt, der Körper erhält zu wenig Energie, um die lebenswichtigen Funktionen und die sportliche Belastung zu decken【1】.

Wie kommt es zu einem Energiedefizit?
 
Ein Energiedefizit kann auf verschiedene Weise entstehen: 

  • Unzureichende Nahrungszufuhr: Oft nehmen Athletinnen und Athleten zu wenig Nahrung auf, sei es durch das Auslassen von  Mahlzeiten, eine unzureichende Ernährungsplanung oder schlichtweg Unachtsamkeit【2】. 

  • Bewusste Restriktionen: Manche Sportlerinnen und Sportler reduzieren bewusst ihre Energiezufuhr, um bestimmte ästhetische oder sportliche Ziele zu erreichen【6】. 

  • Erhöhter Energieverbrauch durch intensives Training: Ohne entsprechende Anpassung der Ernährung kann ein gesteigertes Trainingsvolumen schnell zu einem Defizit führen【4】. 

📸 @eugen.fink

Typische Folgen von RED-S 

RED-S beeinträchtigt sowohl die körperliche als auch die psychische Gesundheit. Zu den wichtigsten gesundheitlichen Folgen gehören: 

  • Reduzierter Grundumsatz und Stoffwechselstörungen 

  • Hormonelle Veränderungen, wie Amenorrhoe (Ausbleiben der Regelblutung) bei Frauen oder niedriger Testosteronspiegel bei Männern【1, 2】 

  • Verringerte Knochendichte und ein erhöhtes Risiko für Stressfrakturen【2, 4】 

  • Schwächung des Immunsystems, wodurch das Infektionsrisiko steigt【1】 

  • Erhöhte kardiovaskuläre Risikofaktoren, wie hoher Cholesterinspiegel【3】 

Psychologisch kann das Energiedefizit ebenfalls belastend sein. Unzufriedenheit mit dem Körperbild, Essstörungen sowie unkontrolliertes Verhalten im Umgang mit Ernährung und Training treten häufig auf【7, 8】.

Die Auswirkungen auf die sportliche Leistung:
RED-S wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit, sondern auch auf die sportliche  Leistungsfähigkeit aus. Betroffene Sportlerinnen und Sportler erleben häufig: 

  • Verminderte Ausdauer, da die Energiespeicher des Körpers nicht ausreichend gefüllt sind【1】 

  • Höheres Verletzungsrisiko, insbesondere Stressfrakturen durch die vermindert Knochendichte【4】 

  • Weniger Trainingseffekte, da die Anpassung an das Training beeinträchtigt wird【1】

  • Nachlassende Muskelkraft und generelle Schwäche【1】

📸 @eugen.fink

Psychologische Faktoren bei RED-S

Psychologische Faktoren spielen bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von RED-S eine entscheidende Rolle. Zu den häufigsten Problemen zählen:

  1. Essstörungen und gestörtes Essverhalten 
    Manche Athletinnen und Athleten entwickeln ein gestörtes Verhältnis zu Nahrung und achten übermäßig auf Kalorienzufuhr und Körpergewicht. In vielen Fällen führt dies zu bewussten Restriktionen und einem dauerhaften Energiedefizit【6】. 

  2. Unzureichende Ernährungsplanung 
    Gerade bei intensiven Trainingsphasen oder einem erhöhten Leistungsdruck wird die Ernährung oft vernachlässigt. Eine unzureichende Mahlzeitenplanung oder fehlendes Wissen über den tatsächlichen Energiebedarf kann ebenfalls zu einem Defizit führen【2】. 

  3. Sportsucht als Verstärker 
    Obwohl Sportsucht nicht die Hauptursache für RED-S ist, kann sie das Problem verschärfen. Sportsucht bezeichnet ein zwanghaftes  Verhalten, bei dem Betroffene das Bedürfnis verspüren, übermäßig zu trainieren, selbst bei Krankheit oder Erschöpfung. Dieses Verhalten erhöht den Energieverbrauch erheblich und erschwert die notwendige  Regeneration【7, 9】. 

Diagnose und Screening: Früherkennung ist entscheidend

Ein großes Problem bei RED-S ist die späte Erkennung. Häufig wird das Syndrom erst dann diagnostiziert, wenn sich bereits schwerwiegende gesundheitliche Folgen zeigen. Zur Früherkennung stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung【5】:

Screening-Tools 
Das IOC empfiehlt spezielle Fragebögen wie den LEAF-Q (Low Energy  Availability in Females Questionnaire) und den LEAM-Q (für Männer). Medizinische Untersuchungen wie die Überprüfung der Knochendichte und Hormonspiegel können ebenfalls dabei helfen, ein Energiedefizit frühzeitig zu erkennen【5, 6】.

Behandlung und Prävention: Ein multidisziplinärer Ansatz
Die Behandlung von RED-S erfordert ein interdisziplinäres Team, das aus Sportärzten, Ernährungsberatern, Psychologen und Physiotherapeuten besteht. Ziel ist es, das Gleichgewicht zwischen Energieaufnahme und Energieverbrauch wiederherzustellen und den betroffenen Sportlerinnen und Sportlern zu einem gesunden Umgang mit Training und Ernährung zu verhelfen【3, 6】. 

Behandlungsschritte

  1. Anpassung der Ernährung: Eine ausreichende Energiezufuhr mit einem ausgewogenen Verhältnis von Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten ist essenziell【2】. 

  2. Anpassung des Trainingsumfangs: Die Reduzierung der Intensität und des Umfangs des Trainings ist notwendig, um die Regeneration zu fördern【6】. 

  3. Psychologische Betreuung: Psychologische Unterstützung hilft dabei, ein gesundes Essverhalten zu entwickeln, zwanghafte Verhaltensweisen zu erkennen und zu bewältige  【7, 9】. 

Die Rolle der Physiotherapie bei RED-S

Physiotherapie spielt eine Schlüsselrolle in der Behandlung und Prävention von  RED-S. Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten unterstützen die Betroffenen dabei, ihre körperliche Belastbarkeit schrittweise wieder aufzubauen und Verletzungen vorzubeugen【6】. 

Physiotherapeutische Maßnahmen

  • Kräftigungs- und Stabilisationstraining, um die Knochendichte zu fördern und Muskelschwäche zu verringern【4】 

  • Bewegungsanalysen, um Fehlbelastungen zu erkennen und zu korrigieren【6】

  • Aufklärung über Übertraining und Energiebilanzen, um zukünftige Defizite zu vermeiden【1, 5】 

Fazit: Bewusstsein schaffen, Risiken minimieren

RED-S ist ein ernstzunehmendes Syndrom, das sowohl die Gesundheit als auch  die Leistungsfähigkeit von Sportlerinnen und Sportlern erheblich beeinträchtigen kann. Häufig entsteht ein Energiedefizit nicht nur durch bewusstes Kaloriensparen, sondern auch durch unzureichende  Ernährungsplanung oder die steigenden Anforderungen intensiver Trainingsphasen. Psychologische Faktoren wie Essstörungen und ein  zwanghaftes Verhältnis zum Sport, einschließlich Sportsucht, können das  Problem weiter verschärfen. 

Ein ganzheitlicher Ansatz mit Früherkennung, einer gezielten Anpassung der Ernährung und des Trainings sowie professioneller Unterstützung –  insbesondere durch Physiotherapie – ist entscheidend, um die Folgen von RED S zu minimieren und eine nachhaltige Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.

📸 @fips65

Wie sieht es bei euch aus?

Hattet ihr schon einmal mit eurer sportlichen Leistungsfähigkeit oder Verletzungen zu kämpfen? Teilt gerne eure Erfahrungsberichte und tauscht euch in den Kommentaren aus. Schaut außerdem ab jetzt jede Woche auf unserem HEALTH BLOCK und bei Physiotherapie: Schmerzfrei Laufen vorbei – für smarteres, gesünderes Laufen!

Quellenverzeichnis:

  1. Mountjoy M. et al. 2023 International Olympic Committee’s (IOC)  Consensus Statement on Relative Energy Deficiency in Sport (REDs).  Br. J. Sports Med. 2023;57:1073–1098. 

  2. Melin A.K. et al. Energy availability in athletics: health, performance,  and physique. Int. J. Sport Nutr. Exerc. Metab. 2019;29:152–164. 

  3. Burke L.M. et al. Mapping the complexities of Relative Energy  Deficiency in Sport (REDs): development of a physiological model. Br.  J. Sports Med. 2023;57:1098–1110. 

  4. Heikura I.A. et al. Low Energy Availability Is Difficult to Assess but  Outcomes Have Large Impact on Bone Injury Rates in Elite Distance  Athletes. Int. J. Sport Nutr. Exerc. Metab. 2018;28:403–411. 

  5. Foley Davelaar C.M. et al. Validation of an Age-Appropriate Screening  Tool for Female Athlete Triad and Relative Energy Deficiency in Sport  in Young Athletes. Cureus. 2020. 

  6. Stellingwerff T. et al. Overtraining syndrome (OTS) and relative energy deficiency in sport (RED-S): shared pathways, symptoms and  complexities. Sports Med. 2021;51:2251–2280. 

  7. Szabo A, Griffiths MD, de La Vega R. Exercise addiction in sport: a  critical review of current knowledge and future directions. Sports Med.  2015;45(7):845–859. 

  8. Blaydon MJ, Lindner KJ. Exercise dependence in competitive  triathletes: Mode-specificity and gender differences. Br J Sports Med.  2002;36:200–204. 

  9. Lichtenstein MB, Jensen TT. Exercise addiction in CrossFit: Prevalence  and psychometric properties of the Exercise Addiction Inventory. Addict Behav Rep. 2016;3:33–37.