Bone-Stress-Injuries

Eine unsichtbare Gefahr für Läuferinnen und Läufer

Über die Vorteile des Laufens könnten wir wahrscheinlich ein ganzes Buch schreiben – ebenso über die kleineren und größeren Beschwerden, mit denen fast jede Läuferin und jeder Läufer früher oder später in Berührung kommt.

Besonders tückisch sind jedoch Bone-Stress-Injuries (BSI), also Knochenstressverletzungen, die durch wiederholte mechanische Belastung entstehen – ohne ein plötzliches Trauma (1).
Sie zählen zu den häufigsten und zugleich schwerwiegendsten Überlastungsschäden im Laufsport. Besonders betroffen sind Langstreckenläuferinnen und -läufer, für die eine solche Verletzung oft langwierige Trainingspausen bedeutet. Im schlimmsten Fall kann sich daraus eine vollständige Fraktur entwickeln, die eine monatelange Rehabilitation erfordert (2).

Das Gefährliche an BSI: Sie entwickeln sich schleichend. Anfangs werden die ersten Anzeichen oft ignoriert oder als normale Laufbeschwerden fehlinterpretiert. Doch genau das birgt ein großes Risiko: Die Verletzung kann unbemerkt fortschreiten – bis hin zur Stressfraktur (3).

In diesem Beitrag möchten wir gemeinsam mit unserem Experten Andreas das Bewusstsein für Bone-Stress-Injuries schärfen, ihre Ursachen erläutern und erklären, warum sie insbesondere für Läuferinnen und Läufer eine große Herausforderung darstellt.

Was sind Bone-Stress-Injuries? 

Bone-Stress-Injuries entstehen, wenn das Knochengewebe wiederholt mechanischer Belastung ausgesetzt ist, ohne dass es ausreichend Zeit zur Anpassung erhält. Anders als akute Knochenbrüche entwickeln sich BSI durch eine Akkumulation von Mikrotraumata, die langfristig zu strukturellen Schäden führen können (1).  

Der Zyklus aus Mikrotrauma, Knochenabbau und Wiederaufbau 

Der Knochen ist ein dynamisches Gewebe, das sich ständig an die mechanischen Anforderungen des Körpers anpasst. Dieses Prinzip, bekannt als Wolffsches Gesetz, beschreibt die Fähigkeit des Knochens, seine Dichte und Struktur in Abhängigkeit von der einwirkenden Belastung zu verändern. Beim Laufen entstehen durch den wiederholten Bodenkontakt Kräfte, die das Skelett belasten. Diese Kräfte führen zu Mikrotraumata, also winzigen Rissen in der Knochenstruktur (2).  

Normalerweise durchläuft der Knochen einen kontinuierlichen Prozess aus Abbau und Wiederaufbau, um sich an Belastungen anzupassen:  

  1. Resorption: Osteoklasten entfernen beschädigtes Knochengewebe. Dieser Prozess dauert in der kompakten Kortikalis des Knochens etwa vier Wochen (4).  

  2. Neubildung: Osteoblasten produzieren neues Knochengewebe. Die vollständige Mineralisierung kann drei bis zwölf Monate dauern (5).  

  3. Anpassung: Bei ausreichender Erholung führt die neue Knochenstruktur zu einer besseren Widerstandsfähigkeit gegen zukünftige Belastungen (6).  

Problematisch wird es, wenn neue Belastungen auf den Knochen einwirken, bevor die Umbauprozesse abgeschlossen sind. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht, bei dem der Knochen schneller abgebaut als wieder aufgebaut wird, was die Struktur schwächt und das Risiko für eine BSI erhöht (2).  

Warum Läuferinnen und Läufer besonders gefährdet sind  

Bone-Stress-Injuries sind keine Seltenheit im Laufsport. Studien zeigen, dass zwischen 30% und  60% aller Langstreckenläufer im Laufe ihrer Karriere eine BSI erleiden (1). Mehrere Faktoren machen Läuferinnen und Läufer besonders anfällig für diese Art der Verletzung:  

  • Hohe Wiederholungszahl der Belastung: Beim Laufen wirken pro Schritt Kräfte von bis zum Dreifachen des Körpergewichts auf den Bewegungsapparat (3).  

  • Monotone Belastung: Anders als bei Sportarten mit multidirektionalen Bewegungen führt das wiederholte, lineare Aufsetzen des Fußes zu einer immer gleichen Beanspruchung der Knochenstruktur (1).  

  • Fehlende muskuläre Unterstützung: Läuferinnen und Läufer, die ausschließlich laufen und kein ergänzendes Krafttraining betreiben, haben eine niedrigere Knochendichte und ein höheres Verletzungsrisiko (4,7).  

  • Relative Energieverfügbarkeit: Ein Defizit an Kalorien oder Nährstoffen führt zu einem erhöhten Knochenabbau und verringerten Wiederaufbauprozessen, was das Risiko für BSI zusätzlich steigert (8).  

Die Rolle der Mechanosensitivität des Knochens  

Ein oft übersehener Faktor ist die Mechanosensitivität (Belastungsreaktion) der Knochenzellen. Studien zeigen, dass Osteozyten – die primären sensorischen Zellen im Knochen – bereits nach nur 20 Belastungszyklen ihre Empfindlichkeit gegenüber mechanischen Reizen verlieren (6).

Interessanterweise wird die Mechanosensitivität nach vier bis acht Stunden weitgehend wiederhergestellt, sodass erneute Belastungen wieder eine stärkere Anpassungsreaktion hervorrufen können (4). Dies bedeutet, dass Läuferinnen und Läufer ihr Training so strukturieren sollten, dass der Knochen die bestmögliche Anpassung erfährt. 

Fazit: Warum Bone-Stress-Injuries ernst genommen werden müssen  

Bone-Stress-Injuries sind eine unterschätzte Gefahr für Läuferinnen und Läufer. Sie entstehen durch ein Zusammenspiel aus mechanischer Überlastung, unzureichender Erholung und ineffizienter Knochensanpassung. Die Verletzung beginnt oft schleichend und wird erst dann ernst genommen, wenn sie bereits weit fortgeschritten ist.  

Da die Knochenanpassung ein langfristiger Prozess ist, erfordert die Prävention von BSI eine gezielte Steuerung von Belastung und Erholung. Die Mechanosensitivität des Knochens zeigt, dass Trainingspläne nicht nur auf das Volumen, sondern auch auf  die Regenerationszyklen abgestimmt sein sollten. Gleichzeitig sind Ernährung, Krafttraining und multidirektionale Bewegungen entscheidend, um die Knochengesundheit langfristig zu erhalten.  

In Teil 2 werden wir detaillierter auf konkrete Maßnahmen zur Prävention und Rehabilitation von Bone-Stress-Injuries eingehen und darauf, wie sie dazu beitragen, das Risiko im Training gezielt zu minimieren.

Wie sieht es bei euch aus?

Hattet ihr schon einmal mit eurer sportlichen Leistungsfähigkeit oder Verletzungen zu kämpfen? Teilt gerne eure Erfahrungsberichte und tauscht euch in den Kommentaren aus. Schaut außerdem ab jetzt jede Woche auf unserem HEALTH BLOCK und bei Physiotherapie: Schmerzfrei Laufen vorbei – für smarteres, gesünderes Laufen!

Quellenverzeichnis:

  1. Warden SJ, Davis IS, Fredericson M. Management and Prevention of Bone Stress Injuries i Long-Distance Runners. J Orthop Sports Phys Ther. Oktober 2014;44(10):749–65.  

  2. Warden SJ, Edwards WB, Willy RW. Preventing Bone Stress Injuries in Runners with Opti Workload. Curr Osteoporos Rep. Juni 2021;19(3):298–307.  

  3. Popp KL, Outerleys J, Gehman S, Garrahan M, Rudolph S, Loranger E, u. a. Impact loading in  female runners with single and multiple bone stress injuries during fresh and exerte conditions. J Sport Health Sci. Mai 2023;12(3):406–13. 

  4. Gabbett TJ, Oetter E. From Tissue to System: What Constitutes an Appropriate Respon Loading? Sports Med [Internet]. 11. November 2024 [zitiert 6. Dezember 2024]; Verfügba unter: https://link.springer.com/10.1007/s40279-024-02126-w

  5. Orchard JW, Ranson C, Olivier B, Dhillon M, Gray J, Langley B, u. a. International consensu statement on injury surveillance in cricket: a 2016 update. Br J Sports Med. 2016;50(20):1245–51.  

  6. Burr DB, Robling AG, Turner CH. Effects of biomechanical stress on bones in animals. Bone 2002;30(5):781–6.  

  7. Nussbaum ED, Bjornaraa J, Gatt Jr CJ. Identifying factors that contribute to adolescent b stress injury in secondary school athletes: a comparative analysis with a healthy athle control group. Sports Health. 2019;11(4):375–9. 

  8. Sale C, Elliott-Sale KJ. Nutrition and Athlete Bone Health. Sports Med. Dezem 2019;49(S2):139–51.

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