Bone-Stress-Injuries vermeiden
Prävention, Rehabilitation und langfristige Strategien für Läuferinnen und Läufer
Bone-Stress-Injuries (BSI) entstehen nicht über Nacht - sie sind eine Folge einer langfristigen Überbelastung des Knochens ohne ausreichende Anpassungszeit. Wir alle kennen es: ambitionierte Trainingspläne, mehrere Runs pro Woche, den fünften geplanten Halbmarathon oder Marathon im Jahr… ohne uns groß darüber Gedanken zu machen, was das mit unserem Körper macht, geschweige denn mit unserer Knochengesundheit. Die wenigstens setzen sich damit auseinander - bis es zu spät ist und die Diagnose erfolgt.
Wie in Teil 1 beschrieben, liegt der Schlüssel zur Vorbeugung von Bone-Stress-Injuries in der optimalen Steuerung von Belastung, Erholung und biologischer Anpassung. Wichtige Faktoren sind Trainingsplanung, biomechanische Anpassungen, gezieltes Krafttraining und eine bedarfsgerechte Ernährung. Wenn ihr den Beitrag von letzter Woche verpasst habt, schaut gerne auf unserem BLOCK “Schmerzfrei Laufen” vorbei.
Die gute Nachricht: Ihr könnt aktiv das Risiko für BSI minimieren! Genug Erholung, gezieltes Krafttraining, angepasste Ernährung und ein gesunder Laufstil sind dafür entscheidend. Im zweiten Teil über Bone-Stress-Injuries zeigen wir euch zusammen mit unserem Experten Andreas, welche Maßnahmen effektiv sind, was ihr im Training beachten solltet und wie ihr sicher zum Laufen zurückkehrt – “Coming back stronger” ist das Motto!
Risikofaktoren für Bone-Stress-Injuries: Vermeidet diese Fehler
1. Zu schnelle Steigerung des Trainingsumfangs
Eine der häufigsten Fehler unter Läuferinnen und Läufern ist ein zu plötzlicher Anstieg des Laufumfangs oder der Intensität (3). Der menschliche Knochen benötigt Zeit, um sich an steigende Belastungen anzupassen. Wird ihm diese Zeit nicht gegeben, steigt das Risiko, dass sich Mikrotraumata schneller ansammeln, als sie repariert werden können (2,4).
Sobald ihr euer Wochenpensum zu schnell steigert, erhöht sich das Risiko für Stressfrakturen erheblich (5). Besonders kritisch wird es, wenn das Trainingsvolumen oder die Intensität um mehr als 30% pro Woche ansteigt (6). Eine gut durchdachte, langfristige Trainingsplanung - insbesondere in der Wettkampfvorbereitung und im Trainingslager - ist daher essenziell, um Überlastungen zu vermeiden.
Was könnt ihr tun?
Trainingsvolumen nur moderat steigern.
Entlastungswochen einplanen – nach drei bis vier Wochen intensiveren Trainings eine Woche mit reduziertem Umfang einplanen (7)
Variation ins Training bringen – unterschiedliche Untergründe, Tempo- und Belastungswechsel reduzieren monotone Belastungen auf denselben Knochenregionen (6).
2. Fehlendes Krafttraining
Laufen alleine reicht leider nicht aus, um eine stabile Knochengesundheit zu gewährleisten. Studien zeigen, dass Ausdauerathletinnen und -athleten ohne Krafttraining eine niedrigere Knochendichte haben als diejenigen, die regelmäßig Widerstandstraining absolvieren (8). Wer multidirektionale Bewegungen und Sprungkrafttraining in sein Programm integriert, profitiert von einer höheren Knochenstärke als reine Läuferinnen und Läufer (2). Auch militärische Rekrutinnen, die langen Märschen ausgesetzt sind, aber keine ergänzenden Kraftübungen durchführen, haben ein erhöhtes Risiko für Bone-Stress-Injuries (9).
Was bedeutet das für euer Training?
Zweimal wöchentlich Krafttraining (6)
→ Grundübungen, wie z.B. Kniebeugen oder Kreuzheben
→ MaximalkrafttrainingPylometrisches Training, seitliche Sprünge, Agility-Drills für eine gleichmäßige Belastung der Knochen (2).
Gezieltes Fuß- und Wadenkrafttraining, um Stoßbelastungen beim Laufen zu reduzieren (7).
3. Unzureichende Ernährung und Energiedefizit
Ein oft übersehener, aber entscheidender Faktor für die Prävention von Bone-Stress-Injuries ist die Ernährung. Insbesondere ein Energiemangel oder ein Defizit an essenziellen Mikronährstoffen kann die Knochengesundheit erheblich beeinträchtigen und das Risiko für Stressverletzungen erhöhen (10).
Besonders gefährlich ist eine niedrige Energieverfügbarkeit (LEA), ein Defizit an zugeführter Energie und Nährstoffen (11). Vor allem bei Frauen, aber auch bei Männern kann sie zu hormonellen Störungen führen und die Knochendichte reduzieren (12). Läuferinnen und Läufer mit unzureichender Kalorienzufuhr haben ein bis zu dreifach erhöhtes Risiko für eine Bone-Stress-Injury (6). Ein Vitamin-D-Mangel verringert die Knochendichte und steigert das Frakturrisiko (10), während eine niedrige Kalziumaufnahme die Knochenmineralisierung beeinträchtigt und das Risiko für Mikrorisse erhöht (8).
Ernährungs-Must-Haves für gesunde Knochen:
Ausreichend Kalorien und Kohlenhydrate zuführen, um katabole Prozesse zu vermeiden (10).
Vitamin D-Spiegel regelmäßig kontrollieren und bei Bedarf 800–1000 IE täglich einnehmen (6,11).
Kalziumreiche Lebensmittel wie Milchprodukte, Nüsse oder grünes Gemüse konsumieren (1000–1500 mg pro Tag) (10,11).
In unserem Blogbeitrag zur RED-S Prävention erfahrt ihr mehr über die richtige Ernährung für Ausdauersportlerinnen und -Sportlern – mit kostenlosem Handout zum Herunterladen.
4. Lauftechnik und Biomechanik
Ein ineffizienter Laufstil kann das Risiko für Stressverletzungen bei Sportlerinnen und Sportlern erhöhen (13). Besonders problematisch ist eine niedrige Schrittfrequenz, da sie zu einer stärkeren Stoßbelastung pro Schritt führt und sich bei längeren Distanzen aufsummiert (14).
Wie könnt ihr eure Lauftechnik optimieren?
Schrittfrequenz leicht erhöhen, um die Stoßkräfte pro Schritt zu reduzieren.
Eine Laufstilanalyse durchführen, um biomechanische Schwachstellen zu identifizieren.
Schrittweise Anpassungen vornehmen, da jeder Laufstil individuell variiert und Veränderung immer auch Anpassung des Körpers bedeutet.
Rehabilitation: Sicher zurück zum Laufen
1. Stufenweiser Wiedereinstieg
Eine zu frühe Rückkehr ins Lauftraining kann das Risiko für erneute Verletzungen verdoppeln (2). Der Schweregrad und die betroffene Region beeinflussen den Wiedereinstieg ins Laufen. Erholungsphasen, eine ausreichende Energie- und Nährstoffversorgung sowie psychosoziale Faktoren spielen dabei eine entscheidende Rolle (15). Läuferinnen und Läufer sollten erst wieder mit dem Training beginnen, wenn sie mindestens fünf Tage lang schmerzfrei sind (6). Bei Hochrisiko-Verletzungen (z. B. Stressfrakturen im Oberschenkelhals) ist sogar eine längere Ruhigstellung nötig, bevor die Belastung erhöht werden kann (11).
Empfohlene Schritte:
Alternative Sportarten nutzen, wie Radfahren, Schwimmen oder die Stärkung der Rumpfmuskulatur, um die Belastbarkeit zu erhalten (2).
Ein schrittweises Return-to-Run-Programm befolgen, das die Belastung über mehrere Wochen hinweg langsam steigert (6).
Intensive Einheiten und hohe Sprungbelastungen vermeiden, bis die vollständige Belastbarkeit wiederhergestellt ist (5).
2. Die Rolle der Physiotherapie in Prävention und Rehabilitation
Physiotherapie ist entscheidend, um Bone-Stress-Injuries vorzubeugen und eine sichere Rückkehr ins Training zu ermöglichen. Da diese Verletzungen durch das Zusammenspiel von mechanischer Belastung, biologischer Anpassung und individuellen Risikofaktoren entstehen, ist ein interdisziplinärer Ansatz essenziell (11).
Wichtige Maßnahmen:
Biomechanische Faktoren analysieren und optimieren (7): Lauftechnik, Schrittfrequenz, Fußaufsatz und Muskelaktivierungsmuster anpassen, um die Belastung der Knochen zu reduzieren (13).
Gezieltes Kraft- und Stabilisationstraining: Verletzungsrisiko senken und Belastbarkeit des Knochens verbessern (2,6).
Frühe Rehabilitationsphase:
Schmerzlinderung und Entlastung priorisieren
Manuelle Therapie, Lymphdrainage und Mobilisationsübungen zur Reduktion von Schwellungen einsetzen (2,6).
Schrittweise Wiederbelastung:
Dosierte Steigerung der Laufbelastung, um Rückfälle zu vermeiden
Integration von Krafttraining, plyometrischen Übungen und koordinativen Stabilisationsübungen (2,6).
Langfristige Trainingsplanung:
Alternative Trainingsformen wie Aqua-Jogging, Radfahren oder Krafttraining ergänzen
Progressives Belastungsmanagement mit Trainerinnen und Trainern abstimmen (2).
Ein ganzheitlicher Ansatz mit Aufklärung, Ernährungsstrategien und der engen Zusammenarbeit zwischen Physiotherapie, Sportmedizin und Trainingswissenschaft kann nicht nur die Heilungszeit verkürzen, sondern auch das Risiko für zukünftige Verletzungen deutlich reduzieren (11).
Fazit: So schützt ihr eure Knochengesundheit langfristig
Bone-Stress-Injuries sind keine unvermeidliche Folge – mit dem richtigen Training könnt ihr ihnen entgegenwirken! Achtet auf eine langsame Belastungssteigerung, integriert gezieltes Krafttraining und versorgt euren Körper mit den notwendigen Nährstoffen. Falls es doch zu einer Verletzung kommt oder gekommen ist, sind Geduld und eine gut strukturierte Rehabilitation entscheidend für eine sichere Rückkehr zum Laufen. Trust the process - euer Körper wird es euch danken 🙂.
Wie sieht es bei euch aus?
Hattet ihr schon einmal mit eurer sportlichen Leistungsfähigkeit oder Verletzungen zu kämpfen? Teilt gerne eure Erfahrungsberichte und tauscht euch in den Kommentaren aus. Schaut außerdem ab jetzt jede Woche auf unserem HEALTH BLOCK und bei Physiotherapie: Schmerzfrei Laufen vorbei – für smarteres, gesünderes Laufen!
Quellenverzeichnis:
Warden SJ, Davis IS, Fredericson M. Management and Prevention of Bone Stress Injuries in Long-Distance Runners. J Orthop Sports Phys Ther. Oktober 2014;44(10):749–65.
2. Warden SJ, Edwards WB, Willy RW. Preventing Bone Stress Injuries in Runners with Optimal Workload. Curr Osteoporos Rep. Juni 2021;19(3):298–307.
3. Soligard T, Schwellnus M, Alonso JM, Bahr R, Clarsen B, Dijkstra HP, u. a. How much is too much? (Part 1) International Olympic Committee consensus statement on load in sport and risk of injury. Br J Sports Med. September 2016;50(17):1030–41.
4. Schwellnus M, Soligard T, Alonso JM, Bahr R, Clarsen B, Dijkstra HP, u. a. How much is too much? (Part 2) International Olympic Committee consensus statement on load in sport and risk of illness. Br J Sports Med. September 2016;50(17):1043–52.
5. Orchard JW, Ranson C, Olivier B, Dhillon M, Gray J, Langley B, u. a. International consensus statement on injury surveillance in cricket: a 2016 update. Br J Sports Med. 2016;50(20):1245–51.
6. Gabbett TJ, Oetter E. From Tissue to System: What Constitutes an Appropriate Response to Loading? Sports Med [Internet]. 11. November 2024 [zitiert 6. Dezember 2024]; Verfügbar unter: https://link.springer.com/10.1007/s40279-024-02126-w
7. Popp KL, Outerleys J, Gehman S, Garrahan M, Rudolph S, Loranger E, u. a. Impact loading in female runners with single and multiple bone stress injuries during fresh and exerted conditions. J Sport Health Sci. Mai 2023;12(3):406–13.
8. Nussbaum ED, Bjornaraa J, Gatt Jr CJ. Identifying factors that contribute to adolescent bony stress injury in secondary school athletes: a comparative analysis with a healthy athletic control group. Sports Health. 2019;11(4):375–9.
9. Rauh MJ, Macera CA, Trone DW, Shaffer RA, Brodine SK. Epidemiology of stress fracture and lower-extremity overuse injury in female recruits. Med Sci Sports Exerc. 2006;38(9):1571.
10. Sale C, Elliott-Sale KJ. Nutrition and Athlete Bone Health. Sports Med. Dezember 2019;49(S2):139–51.
11. Hoenig T, Hollander K, Popp KL, Fredericson M, Kraus EA, Warden SJ, u. a. International Delphi consensus on bone stress injuries in athletes. Br J Sports Med. Januar 2025;59(2):78–90.
12. Mountjoy M, Ackerman KE, Bailey DM, Burke LM, Constantini N, Hackney AC, u. a. 2023 International Olympic Committee’s (IOC) consensus statement on Relative Energy Deficiency in Sport (REDs). Br J Sports Med. September 2023;57(17):1073–98.
13. Tenforde A, Hoenig T, Saxena A, Hollander K. Bone Stress Injuries in Runners Using Carbon Fiber Plate Footwear. Sports Med [Internet]. 13. Februar 2023 [zitiert 14. Februar 2025]; Verfügbar unter: https://link.springer.com/10.1007/s40279-023-01818-z
14. Kliethermes SA, Stiffler-Joachim MR, Wille CM, Sanfilippo JL, Zavala P, Heiderscheit BC. Lower step rate is associated with a higher risk of bone stress injury: a prospective study of collegiate cross country runners. Br J Sports Med. August 2021;55(15):851–6.
15. Hoenig T, Eissele J, Strahl A, Popp KL, Stürznickel J, Ackerman KE, u. a. Return to sport following low-risk and high-risk bone stress injuries: a systematic review and meta-analysis. Br J Sports Med. April 2023;57(7):427–32.