Wenn Bewegung zur Medizin wird: Laufen mit Endometriose
Warum Sport euch helfen kann – und wie ihr Teil der Bewegung werdet
Lange Zeit dachte ich, ich bin mit meinen außergewöhnlich starken Regelschmerzen und unerklärlichen Symptomen alleine. Viele Arzttermine, wenig Verständnis – und die immer gleiche Empfehlung: "Nimm einfach die Pille." Aber das war für mich nie eine Lösung. Erst als meine Frauenärztin bei einem Gespräch einen konkreten Verdacht äußerte, kam Bewegung in die Sache: Endometriose.
Vorher hatte ich kaum von dieser Erkrankung gehört. Auch mir wurde gesagt, die Symptome könnten nur mit Hormonen behandelt werden. Und obwohl die Diagnose endlich ein Name für mein Empfinden war, war sie weniger eine Antwort, sondern hat nur weitere Fragen aufgeworfen. – Käthe
Genau deshalb möchten wir heute in Zusammenarbeit mit der Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. ein Thema ansprechen, das viele Endometriose-Betroffene bewegt: die Rolle von Bewegung und Sport bei Endometriose. Aufgrund der hohen Schmerzen erscheint körperliche Aktivität bei dieser Erkrankung oft sehr schwierig. Doch aktuelle Studien zeigen, dass Sport – und vor allem Laufen – nicht nur möglich ist, sondern sogar positive Effekte auf den Krankheitsverlauf und die Symptome haben kann.
Was ist Endometriose?
Endometriose ist mehr als Regelschmerzen. Es handelt sich um eine chronische Erkrankung, bei der Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnlich ist, außerhalb der Gebärmutter wächst. Diese sogenannten „Endometrioseherde“ können im Beckenraum, an den Eierstöcken, Eileitern oder auch an anderen Organen auftreten. Die Folgen sind oft unter anderem starke Schmerzen, Beschwerden beim Sex, Verdauungsprobleme und ungewollte Kinderlosigkeit.
Da die Symptome so unterschiedlich sind, wird die Erkrankung oft nicht oder sehr spät erkannt. Genau das macht es so schwer, geeignete Wege zur Linderung zu finden – auch in Bezug auf Sport.
Warum euch Bewegung helfen kann
Gerade weil Schmerzen und Erschöpfung oft so präsent sind, erscheint Sport manchmal wie das Letzte, woran man denkt. Aber genau hier liegt der Schlüssel: Es geht nicht um Höchstleistung – sondern darum, eurem Körper gut zu tun.
Was das konkret bedeutet:
Schmerzen können gelindert werden
euer Körpergefühl verbessert sich
Stress wird spürbar abgebaut
Bewegung und Sport bei Endometriose - was sagen Studien?
In den letzten Jahren hat die Wissenschaft immer mehr Hinweise darauf gefunden, dass moderate körperliche Aktivität positive Effekte auf Endometriose haben kann. Eine Studie aus dem Jahr 2022 von Dr. med. Wilfried Hohenforst hebt in seinem Endometriose-Ratgeber hervor, dass moderate körperliche Aktivität dazu beitragen kann, Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern, insbesondere durch die Förderung der Durchblutung und die Reduktion von Stresshormonen (1). Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Spaziergänge, Yoga oder moderates Joggen handelt – die Kontinuität ist entscheidend (1).
Ewald Becherer und Adolf E. Schindler (2023) heben hervor, dass eine individuelle Bewegungsstrategie – abgestimmt auf die jeweiligen Beschwerden – wesentlich zur Symptomlinderung beitragen kann. Sie empfehlen, Bewegung als Teil eines ganzheitlichen Behandlungskonzepts zu integrieren, um sowohl physische als auch psychische Belastungen zu reduzieren (3).
Eine aktuelle Studie im PLOS ONE zeigt zudem, dass regelmäßige moderate Bewegung signifikant mit einer Verringerung von Schmerzen sowie einer Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens bei Endometriosebetroffene verbunden ist. Die Untersuchung legt nahe, dass körperliche Aktivität eine wichtige Rolle in der integrativen Behandlung spielen kann (4).
Forschung: noch wenig, aber vielversprechend.
Im Moment ist die Forschung zu Endometriose – besonders in Verbindung mit Bewegung – leider noch ziemlich begrenzt. Das liegt unter anderem daran, wie unterschiedlich sich die Erkrankung zeigt: von leichten Beschwerden bis hin zu massiven Einschränkungen. Lange Zeit stand vor allem die medikamentöse oder operative Behandlung im Fokus. Bewegung? Wurde oft nur am Rande betrachtet. Erst langsam rückt auch der Lebensstil als wichtiger Faktor in den Fokus – aber bislang gibt es nur wenige Studien, die diesen Aspekt gezielt untersuchen.
Ein weiteres Hindernis ist das geringe Bewusstsein für Endometriose, was dazu führt, dass die Erkrankung häufig spät diagnostiziert wird und wenig Ressourcen für Forschungsprojekte zur Verfügung stehen. Studien, die den Einfluss von Sport untersuchen, sind zudem ethisch und methodisch aufwendig: Sie brauchen viele Teilnehmer*innen, lange Zeiträume und kontrollierte Bedingungen. All das macht sie finanziell aufwendig und komplex.
Hinzu kommt: Es gibt bisher kaum allgemeingültige Empfehlungen – jede Person reagiert anders auf körperliche Aktivität. Das erschwert die Entwicklung aussagekräftiger Studien. Schließlich fließt auch weniger finanzielle Unterstützung in die Endometriose-Forschung im Vergleich zu anderen Krankheitsbildern, was die Durchführung groß angelegter Untersuchungen zusätzlich einschränkt.
Trotzdem wächst das Interesse: Immer mehr Forscher*innen setzen auf ganzheitliche Ansätze. Und Bewegung rückt als ergänzender Therapiebaustein langsam, aber sicher in den Fokus. Ein vielversprechender Weg – für mehr Lebensqualität, mehr Verständnis und hoffentlich bald: mehr Erkenntnisse.
Warum gerade Laufen?
Ich glaube, für uns alle ist Laufen mehr als nur Bewegung. Es bedeutet Ausgleich, bereitet uns Freude und gibt uns Energie. Wie gut, dass Laufen auch schmerzlindernd bei Endometriose wirken kann. Da wir beim Laufen unsere Trainingsintensität individuell anpassen können, ist es genau das, was unser Körper braucht: Dass wir auf seine Signale hören. Bei akuten Beschwerden solltet ihr die Belastung reduzieren oder auf entspanntere Bewegungsformen (Gehen, Yoga, Schwimmen) ausweichen. Generell gilt: Wer regelmäßig läuft – auch in moderatem Tempo – kann langfristig von positiven Effekten profitieren:
Verbesserung der Durchblutung im Beckenbereich
Reduktion von Stresshormonen
Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens
Unterstützung des Immunsystems
Natürlich solltet ihr individuell abklären, was für euren Körper das Richtige in der Situation ist. Bei Unsicherheiten solltet ihr auf jeden Fall Rücksprache mit einem Arzt oder Physiotherapeuten halten.
Gemeinsam aktiv werden: Engagiere dich für Betroffene!
Neben der eigenen Bewegung gibt es noch weitere Möglichkeiten, sich gemeinsam für Endometriosebetroffene einzusetzen. Initiativen wie die Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. bieten euch die Chance, euch sportlich zu engagieren und gleichzeitig für mehr Sichtbarkeit von Endometriose einzusetzen. Ob beim Joggen, Radfahren oder Walken – jeder Schritt zählt! Wenn ihr Lust habt, euch aktiv einzubringen und Teil einer starken Community zu werden, schaut doch mal hier vorbei: Move for Endo.
Die Endometriose-Vereinigung geht mit ihrem Team „Run for Endo“ dieses Jahr wieder beim BMW Berlin-Marathon an den Start. Ein starkes Team von Endometriose-Betroffenen und Nicht-Betroffenen mit verschiedenen Geschlechtern, Nationalitäten und Motivationen wird am 21.09.2025 antreten, um für mehr Sichtbarkeit und Aufklärung über Endometriose zu laufen. Lauft mit oder lasst euch hier von den individuellen Geschichten der Läufer*innen inspirieren.
Fazit
Bewegung bei Endometriose kann für uns challenging sein – aber sie kann wirklich etwas verändern. Mit der richtigen Intensität und einem bewussten Körpergefühl könnt ihr Schmerzen lindern und euer Wohlbefinden steigern. Und wenn ihr mögt, könnt ihr sogar noch einen Schritt weiter gehen: gemeinsam mit und für andere Betroffene aktiv werden.
Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass mehr Menschen über die positiven Effekte von Sport bei Endometriose Bescheid wissen – denn jeder Schritt zählt!
Falls ihr mehr über das Laufen und eure Gesundheit erfahren wollt, schaut regelmäßig auf unserem BLOCK oder hört in unseren Podcast rein – dort erwarten euch spannende Beiträge rund ums Laufen, Ernährung und mentale Stärke. Unser aktueller Beitrag auf dem Physio-Blog „Schmerzfrei laufen – wenn die Sehnen nicht mehr mitlaufen“ hilft euch dabei, Beschwerden besser zu verstehen und aktiv anzugehen.
Quellen:
Hohenforst, W. (2022): Der Endometriose-Ratgeber. Humboldt-Verlag, Hannover
Fricke-Piehl, S. (2023): Leichter leben mit Endometriose. Humboldt-Verlag, Hannover
Becherer, E., Schindler, A. E. (Hrsg.) (2023): Endometriose ganzheitlich verstehen und behandeln (4. Auflage). Kohlhammer, Stuttgart
Xie M, Qing X, Huang H, Zhang L, Tu Q, Guo H, et al. (2025) The effectiveness and safety of physical activity and exercise on women with endometriosis: A systematic review and meta-analysis. PLOS ONE 20(2): e0317820. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0317820